Faktor 1: Die Aktivität von Wettprofis
Sobald ein Wettbewerb ein gewisses Mindestvolumen an Wettaktivitäten zulässt, sind Wettprofis darin aktiv. Das hat zur direkten Folge, dass die Wettquoten im Großen und Ganzen immer effizienter werden, je näher der Anpfiff rückt. Schematisch kannst du dir das folgendermaßen vorstellen:
A) Die Präphase
In der Präphase sind in der Regel noch keine Wettprofis aktiv[1]. Dabei handelt es sich typischerweise um die Zeit vor dem eigentlichen Spieltag, die um 5.00 Uhr morgens MEZ im Winter endet, und um 6 Uhr morgens wenn gerade die Sommerzeit gilt. Das liegt daran, dass die Wettmärkte bei den beiden asiatischen Buchmachern Singbet und SBObet zu diesem Zeitpunkt von early auf today umgeschaltet werden, was direkte Auswirkungen auf den verwendeten Quotenschlüssel und vor allem die Wettlimits hat. Ab diesem Zeitpunkt können sehr hohe Beträge gewettet werden[2], weshalb auch große Syndikate ab dann aktiv sind.
Es gibt durchaus ein paar kleinere Profisyndikate, die bereits in der Präphase aktiv sind, allerdings hast du in diesem Zeitraum dennoch sehr gute Chancen, ineffiziente Wettquoten anzutreffen.
B) Profis aktiv
Spätestens am Spieltag selber beginnt also die Phase, in der Profis aktiv werden. In diesem Zeitraum wird nach und nach der meiste Value verschwinden. Hier wirst du beobachten können, dass dies insbesondere immer mit dem Ansteigen der Wettlimits bei SBO und Singbet der Fall ist. Das Ansteigen der Wettlimits folgt relativ festen Mustern, die allerdings im Lauf der Zeit und im Detail immer mal wieder variieren – beispielsweise wird das Limit in vielen Ligen gegen 12 Uhr mittags MEZ oft angehoben, allerdings kann der genaue Zeitpunkt zwischen 11:45 und 12:15 Uhr liegen. Es gibt keinen fixen, automatisierten Zeitpunkt.
Wettprofis wägen bei der Wettabgabe immer zwei, sich häufig widersprechende Faktoren ab: Sie wollen einerseits möglichst früh wetten, solange noch hoher Value zu haben ist. Sie wollen aber andererseits auch erst wetten, sobald sie Beträge bekommen können, die hoch genug sind, um den ganzen Aufwand rechtfertigen. Insbesondere große Wettsyndikate stehen täglich vor dem Problem, dass sie viel höhere Beträge wetten wollen, als sie praktisch unterbekommen können[3].
Daraus ergibt sich, dass der Value erst nach und nach verschwindet, und es für dich häufig völlig ausreicht, erst in dieser Phase zu wetten. Solltest du aber eine Wette anvisiert haben, für die in dieser Phase die Wette plötzlich um mehrere Punkte gesunken ist, dann gilt es jetzt, besonders aufzupassen. Insbesondere, wenn sich dies nicht durch andere Ereignisse erklären lässt (eine Verletzung zum Beispiel), waren wahrscheinlich Profis am Werk, und der Value ist ganz oder teilweise verschwunden.
C) Aufstellungen
Mit dem Bekanntwerden der Aufstellungen ändert sich die Marktdynamik grundlegend. Davor kann die Stärke der Teams nur relativ grob geschätzt werden, sobald aber die Aufstellungen bekannt sind, präzisieren sich die Schätzungen der Profis maßgeblich. Große Syndikate wie Smartodds oder StarLizard beschäftigen für jedes einzelne Spiel eine ganze Reihe von Leuten, die in verschiedenen Funktionen daran arbeiten, diese Informationen möglichst schnell zu verarbeiten und gegebenenfalls eine Wette zu platzieren.
In der Aufstellungsphase wirst du es sehr schwer haben, Marktschwächen ausnutzen zu können, bevor andere Profis das tun. Selbst wenn es dir bei einzelnen Spielen sogar gelingen kann: Gerade, wenn viele Spiele eines Wettbewerbs gleichzeitig beginnen (besonders am Wochenende also), ist es nahezu unmöglich, die hereinflutenden Informationen schneller als die Konkurrenz zu verarbeiten. Aus diesem Grund rate ich mit wenigen Ausnahmen (dazu weiter unten mehr) stark davon ab, in dieser Phase noch zu setzen.
Wann werden die Aufstellungen bekannt?
Im Fußball werden die Aufstellungen in den allermeisten Wettbewerben und Ligen ab ca. 75 Minuten vor Spielbeginn bekannt. Es gibt dabei aber ein paar nationale Eigenheiten und Ausnahmen:
- In Finnland werden die Aufstellungen sehr häufig bereits 4 Stunden vor Spielbeginn bekannt
- In Japan sind es meistens 2 Stunden
- Portugal und die südamerikanische Ligen neigen meistens zu einer eher späten Bekanntgabe, allerdings ist in der letzten Stunde jeder Zeitpunkt drin
Die nordamerikanischen Profiligen (MLB, NBA, NFL, NHL) folgen eigenen Mustern, allerdings gibt es hier spezialisierte Internetseiten, die dich informiert halten. Beim Fußball ist die Informationslage aufgrund der Vielzahl der Wettbewerbe deutlich chaotischer.
D) Live
Auch nach Anpfiff wird natürlich gewettet, aber davon sollte meiner Meinung nach nahezu jeder die Finger lassen. Professionelle Wettsyndikate haben alle hochkomplexe Modelle, die im Sekundentakt mitlaufen und ständig aktualisierte Wahrscheinlichkeiten und Wettquoten ausspucken – und dazu noch Trader, die nichts anderes tun, als auf dieser Grundlage zu wetten. Hier als Einzelner einen systematischen Vorteil zu erlangen ist nahezu aussichtslos. Erfolgreiches Wetten basiert immer auf einem Informationsvorsprung, der live nur extrem schwer zu bekommen ist. Am ehesten eignet sich noch die Halbzeitpause zum Wetten, sonst musst du von sehr effizienten Wettquoten ausgehen.
Faktor 2: Clubspezifische Preisentwicklungen der Vergangenheit
Allgemein betrachtet werden die Wettquoten in Richtung Anpfiff also immer effizienter, weshalb du normalerweise auch zügig wetten solltest, sobald du genug Geld unterbringen kannst. Allerdings wird es immer wieder passieren, dass die Wettquoten für bestimmte Clubs bzw. deren Over/Under-Linien historische Muster aufweisen. Es lohnt sich, die Quotenverläufe der letzten paar Partien zu beobachten.
Kannst du hier offensichtliche Muster für einen oder beide Clubs erkennen, dann ist es oft ratsam, entsprechend zu handeln – in manchen Fällen bedeutet das, dass du so früh wie möglich wetten solltest, in anderen dagegen, dass du vermutlich abwarten und auf einen besseren Preis und höhere Limits hoffen kannst.
Das gilt insbesondere dann, wenn zuvor viel Pech oder Glück im Spiel war. Wenn bei einem bestimmten Club das Over in letzter Zeit sehr häufig kam, dabei viel Zufall im Spiel war und darüber hinaus die Quoten auf das Over beständig steigen Richtung Anpfiff, dann kannst du mit einer Wette auf das Under in vielen Fällen noch eine ganze Weile abwarten. Liegt dein Value bei einem solchen Szenario dagegen eher auf dem Over, solltest du so früh wie möglich zuschlagen.
Faktor 3: Allgemeine Trends bei Preisentwicklungen
Bei manchen Spielen, die in der Wettöffentlichkeit besonders beliebt sind (populäre Begegnungen in der Champions League zum Beispiel), wird nicht selten durch Spaßwetter deutlich mehr gesetzt, als durch Wettprofis ausgeglichen werden kann. In diesen Fällen kann ein Druck auf den Preis entstehen, der zu Quotenverläufen führt, die sonst uncharakteristisch wären.
Ein relativ häufiger Trend ist beispielsweise das Setzen auf sehr hohe Favoriten, oder auf das Over in wichtigen Begegnungen, die typischerweise eher Undertendenzen aufweisen (etwa Derbys und Finalspiele). Auch in diesen Fällen kann deshalb Abwarten die korrekte Strategie sein. Problematisch daran ist, dass Spaßwetter ihre Wetten oft sehr spät abgeben, insbesondere in der letzten Stunde vor Spielbeginn, was aus den weiter oben unter Faktor 2 genannten Gründen problematisch ist.
Faktor 4: Verletzungen und Clubnachrichten
Schlussendlich kann es natürlich auch immer sein, dass sich Spieler verletzen – selbst beim Aufwärmen kann das durchaus noch passieren. Handelt es sich dabei um Schlüsselspieler, beeinflusst das die Wettquoten mitunter ziemlich dramatisch.
Ebenfalls von enormer Bedeutung für die Wettquoten können clubspezifische Neuigkeiten sein, beispielsweise wenn sich herausstellt, dass Gehälter nicht mehr oder verspätet bezahlt werden, oder dass es clubinterne Unstimmigkeiten gibt.
Fazit: Der beste Zeitpunkt und die Closing Line
Wie aus diesem Blogpost hervorgeht: Es gibt nicht den einen korrekten Zeitpunkt für die Wettabgabe, weil dies von einer Vielzahl von Faktoren und der jeweiligen Marktdynamik abhängt. In jedem Fall kann ich dir nur empfehlen, dich dem Thema Preisentwicklung zu widmen und dir zu allen Clubs entsprechende Aufzeichnungen zu machen, insbesondere im Hinblick auf die Limiterhöhungen der Buchmacher. Sich einfach nur die Preisentwicklungen vor den letzten 3-4 Spielen anzuschauen führt häufig zu einem klareren Bild. Dabei ist es wichtig, wichtige Sonderereignisse (wie Verletzungen) zu kennzeichnen, um die Quotenbewegung besser einordnen zu können.
Diese Aufzeichnungen bieten dir auch ein klareres Bild, wenn du die Closing Line zur Bewertung deiner Wetten verwendest, denn die hier genannten Faktoren können die Closing Line alle beeinflussen.
Fußnoten:
[1] Es kommt auch bei den Top3 Fußballwettsyndikaten vor, dass noch am Vorabend gewettet wird. Insbesondere ist das bei WM und EM der Fall, wo schon früh viel gewettet werden kann. Es kann in anderen Wettbewerben auch passieren, dass ein Preis so wahrscheinlich sinken wird, dass man lieber die geringeren Einsätze in Kauf nimmt, als die Wette ganz zu verlieren. Kleinere Wettprofisyndikate wetten auch gerne mal schon früher, in aller Regel aber beginnt die wahre Wettaktivität am Spieltag selber, da zu frühes Herunterwetten der Preise oft mehr Schaden als Nutzen stiftet.
[2] Das passiert zu dieser frühen Stunde meist über Wettagenten, die bei Singbet und SBObet oft über Multiplikatorenaccounts und andere Ressourcen verfügen, und ihren Kunden auf diese Weise viel höhere Einsätze liefern können, im Gegenzug gibt der Kunde meist drei Punkte Spielraum auf die Preise von SBObet und singbet. Morgens um 5 Uhr ist es auf diese Weise in den großen vier europäischen Ligen möglich, 130.000 bis 180.000 Euro auf die Asiatischen Handicaps zu setzen, insbesondere in der Premier League. Die erste Adresse für solche Frühwetten ist der Wettagent Seabet.
[3] Wie in der zweiten Fußnote beschrieben ist es um 5 Uhr morgens an einem Samstag oder Sonntag bereits möglich, in der Bundesliga um die 130.000 Euro oder gar mehr auf die Asiatischen Handicaps zu setzen. Das ist zwar viel Geld, reicht den großen Wettsyndikaten aber längst nicht aus, weshalb sie, wenn nur irgend möglich, die nächsten Limiterhöhungen abwarten werden. Von Matthew Benham (Smartodds) ist mir bekannt, dass er bei der WM um die 3 Millionen Pfund als Standardeinsatz anvisiert hat je Spiel, bei Tony Bloom (StarLizard) sollen es um die 10 Millionen gewesen sein. (zu den beiden siehe auch: Kannst du mit Sportwetten reich werden?)