Die einfache Antwort: Ja, du kannst in der Tat mit Sportwetten reich werden. Es gibt immerhin ein paar prominente Beispiele illustrer Wettkarrieren aus den verschiedensten Epochen. Von ein paaren will ich hier erzählen. Aber natürlich hat die Sache einen klaren Haken – es ist ein steiniger Weg. In einem Folgeblogpost habe ich beschrieben, wie du auf realistischem Weg mit Sportwetten Geld verdienen und nebenher im Berufsleben wertvolle Fähigkeiten erlernen kannst.
Inhalt
1. Mit Sportwetten reich geworden: Mediendarling Matthew Benham
2. Tony Bloom: Der reichste Wettprofi aller Zeiten
3. Die Computergruppe: Das erste Wettsyndikat im Hedgefondsstil
4. Der rasante Aufstieg und tiefe Fall von Billy Walters
5. Haralabos "Bob" Voulgaris: Die Wette, die ihn reich und zum Profi machte
1. Mit Sportwetten reich geworden: Mediendarling Matthew Benham
Der bekannteste Fall, von einem, der es geschafft hat, mit Sportwetten reich zu werden, ist in Europa und im Fußball vermutlich Matthew Benham. Das hängt hauptsächlich mit seinen Aktivitäten außerhalb des Wettens zusammen, die er sich allerdings durch seinen Wetterfolg finanziert hat.
Benham hat für seine Wetten die Firma SmartOdds gegründet, und sich aufgrund seiner Wetterfolge im Jahr 2012 mit dem Erwerb des Fußballklubs Brentford FC einen Kindheitstraum erfüllt.
Elf Freunde hat mit ihm vor einer Weile ein recht interessantes Interview geführt, das damals den einen oder anderen Fußballfan in verschiedenen Foren doch etwas aufgewühlt hat (die Worte „keine Ahnung!“ fielen häufiger). Europaweit bekannt wurde Benham mit dem Erwerb des dänischen Clubs FC Midtjylland1, der prompt im ersten Jahr Meister wurde.
Der Erfolg war vor allem den wettstatistischen Analysemethoden geschuldet, die auch den Sportwetten zugrunde liegen, mit denen Matthew Benham reich geworden ist. Zwar wurde der Einfluss dessen von den Medien etwas übertrieben (ist eben eine schöne Geschichte), aber es ist nicht zu leugnen, dass es in diesem Bereich im Fußball noch viel Luft nach oben ist.
Benham besitzt seit 2011 auch die Wettbörse Matchbook. Genau deshalb kannst du dort aufgrund der möglichen Interessenskonflikte auch nicht auf Spiele seiner beiden Clubs Brentford und Midtjylland wetten.
2. Tony Bloom: Der reichste Wettprofi aller Zeiten
Von Matthew Benham ist weniger bekannt, dass er früher einmal für einen gewissen Tony Bloom bei Premier Bet gearbeitet hat2. Benham schied im Streit, gründete SmartOdds und führt seither das zweitgrößte Wettsyndikat der Welt. Zurück ließ er Tony Bloom, der mit StarLizard eine sehr ähnliche, aber noch größer angelegte Unternehmung führt.
Trotz aller Rivalität haben beide doch sehr viel gemein: Ihrer Marktführerschaft im Wettbereich konnten beide etablieren, weil sie mit mathematischen Modellen genau dann zur Stelle waren, als über das Internet einerseits gerade der asiatische Wettmarkt zugänglich wurde, dieser aber vor allem im Vergleich zu heute noch wahnsinnig ineffizient war.3. In der Folge schafften es beide mit dem Aufbau ihrer analytischen Firmen im Hedgefondsstil, ihre Marktdominanz weiter auszubauen – da es an Geld aufgrund des leichten Starts nie mangelte, konnten sie ihren technischen Vorsprung immer durch das Einstellen des besten Personals in den Bereichen Modellentwicklung und Programmieren wahren.
Business Insider hat einen interessanten Artikel unter anderem über das Verhältnis von Benham und Bloom verfasst; einen weiteren spannenden Artikel über Bloom findest du im Bleacher Report.
Bloom ist nicht nur mit Sportwetten reich geworden. Nebenher spielt er auch noch recht erfolgreich Poker, besitzt den Buchmacher ISN und einen Fußballclub hat er natürlich auch: Brighton Hove & Albion.
3. Die Computergruppe: Das erste Wettsyndikat im Hedgefondsstil
Das Bauen komplexer mathematischer Wettmodelle mit Hilfe von Computern hat seinen Ursprung in Amerika. Die sogenannte Computer Group aus Las Vegas war das erste Syndikat, das in großem Maßstab mit Hilfe von Informationstechnologie auf Sport wettete und mit ihren Sportwetten reich wurde. Wie auch bei Benham und Bloom lag der Profit der Gesamtgruppe bei vielen Hundert Millionen, was damals vor allem den sehr ineffizienten Buchmacherpreisen geschuldet war – die Buchmacher hinkten der Computer Group damals meilenweit hinterher.
Auf der auch ansonsten hervorragenden Seite Sports Insight findest du eine kleine Geschichte der Computer Group. Bei dem Doktor, von dem in dem Artikel die Rede ist, handelt es sich um Ivan Mindlin, der auf der Matchbook Trader Conference von 2015 ein Podiumsinterview gab. Hier das Promovideo dazu:
Der im Video erwähnte Ärger mit dem FBI führte in letzter Konsequenz zur Auflösung der Computer Group, viele der Mitglieder (wie Ivan Mindlin) setzten ihre Wettkarrieren aber in weitaus kleinerem Maßstab fort. Bis auf einen: Billy Walters.
4. Der rasante Aufstieg und tiefe Fall von Billy Walters
Billy Walters sah trotz der Probleme mit dem FBI und den Steuerbehörden keinen Grund, kürzer zu treten – und wurde mit Sportwetten jahrzehntelang noch reicher, als er ohnehin schon war. Er war gewissermaßen schon Tony Bloom und Matthew Benham, als diese noch sehr kleine Lichter waren. Im Unterschied zu den Fußballwettsyndikaten, die elektronisch auf den asiatischen Wettmarkt zugreifen können, war Billy Walters naturgemäß immer mehr auf den amerikanischen Wettmarkt angewiesen, insbesondere bevor das Internet zum Wetten relevant war. Genau wie die Computer Group beschäftigte er deshalb sogenannte Runner in Las Vegas - ein ganzes Netzwerk davon, um genau zu sein. Leute also, die die Wetten physisch für ihn platzierten. Hauptsächlich spezialisiert war er auf American Football und Basketball.
All das und ein wenig von seinem Leben wurde hier in der Sendung 60 Minutes gezeigt:
Allerdings nahm die Sache kein gutes Ende: Billy Walters wurde letztes Jahr wegen Insider Trading zu 5 Jahren Haft verurteilt. Die Anklage und Verurteilung hatte nichts mit seinen Sportwetten zu tun, sondern mit seinen Aktivitäten in den Finanzmärkten – und seiner generellen Gier. Ivan Mindlin, sein ehemaliger Wettkumpane aus der Computer Group, brachte diesen Aspekt während seines oben erwähnten Podiumsinterview schön auf den Punkt. Als die Computer Group nach den Problemen mit dem FBI das weitere Vorgehen besprach, wollte Billy Walters unbedingt im größtmöglichen Maßstab weiter machen. Ivan Mindlin verabschiedete sich von ihm mit den Worten:
I don't have to be the tallest tree in the forest.
Ein Zitat, das bei mir definitiv Eindruck hinterlassen hat. Und das war lange bevor klar wurde, dass Billy Walters den bitteren Gang ins Gefängnis antreten musste.
5. Haralabos "Bob" Voulgaris: Die Wette, die ihn reich und zum Profi machte
Eine weitere interessante Erfolgsgeschichte aus dem amerikanischen Raum ist die von Haralabos "Bob" Voulgaris. Voulgaris wurde mit Sportwetten in der NBA reich. Seine Geschichte wird unter anderem in Nate Silvers Buch Die Berechnung der Zukunft (englisch: The Signal and The Noise) angeschnitten.
Voulgaris wuchs im kalten Winnipeg in Manitoba auf. Sein Vater soll war zwar einmal recht wohlhabend gewesen sein (er soll in der Spitze um die 3 Millionen kanadische Dollar sein eigen genannt haben), verlor aber alles beim Glücksspiel. Bob selbst konnte bis zum Ende seiner Collegezeit durch nebenher geleistete Arbeit ca. 80.000 Dollar sparen, als er auf eine Wette stieß, der er nicht widerstehen konnte.
Die Los Angeles Lakers hatten in jener Saison einen durchwachsenen Start erwischt - doch besaßen sie mit dem jungen Kobe Bryant und Shaquille O‘Neal sowie Phil Jackson als Coach in Voulgaris‘ Augen eine einmalige Kombination außergewöhnlich begabter Individuen. Die Buchmacher in Las Vegas sahen das anders und boten eine Wettquote von 7.5 dafür, dass die Lakers NBA-Champions werden würden. Voulgaris kratzte all seine Ersparnisse zusammen und ging damit die Wette seines Lebens ein.
Es wurde eine ziemliche Achterbahnfahrt. Schwierig wurde es gegen die Portland Trailblazers im Halbfinale, diese Playoffserie wurde erst im siebten Spiel entschieden. Vor jenem Spiel befand sich Voulgaris in einer Position, in der er aufgrund seiner Wette sichere 200.000 hätte erlösen können – hätte er denn das Geld für eine Hedgewette gehabt. Da dies nicht der Fall war, blieb ihm nichts übrig, als das beste zu hoffen.
Spiel 7 lief anfangs schlecht für die Lakers, Mitte des dritten Viertels lagen sie mit 16 Punkten hinten – doch dann konnten sie die scheinbar aussichtslose Situation für sich und Voulgaris retten. Die Finalserie zwei Wochen später war dann nur noch Formsache, und Voulgaris konnte sich von seinem Erlös den Lebenstraum als professioneller Sportwetter verwirklichen. Mittlerweile gehört auch er zu der Riege von Leuten, die mit Sportwetten (sehr) reich geworden sind.
Ob seine Aktion mit der Riesenwette auf die Lakers so sinnvoll war, ist natürlich die große Frage. Zwar handelte es sich bei der Wette mit Sicherheit um Mördervalue, aber aus Kapitalmanagementperspektive war sie natürlich eine Katastrophe. Und es ist gut möglich, dass es irgendwo auf dieser Welt noch ein paar andere Leute gibt, die etwas ähnliches probiert haben und kläglich gescheitert sind.
Voulgaris hatte einen Auftritt auf der Sports Analytics Conference, den du auf Youtube finden kannst (er sitzt ganz links):
6. Charlie Höhler: ein Profi der alten Schule
Auf den zwar unbekanntesten, aber möglicherweise interessantesten Fall der Branche namens Charlie Höhler (archivierte Version) bin ich eines Tages zufällig auf Spiegel Online gestoßen. Dabei handelt es sich um einen wirklich lesenswerten Artikel aus einer Printausgabe des Spiegels vom 7. Februar 1983 – einer Zeit also, als das Wetten im Internet noch nicht in Aussicht stand, ich persönlich gerade mit der Trommel um den Weihnachtsbaum lief, und auch die Computer Group gerade in Las Vegas in voller Blüte stand.
Charlie Höhler verdiente also in 80ern sein Geld mit Wetten auf Trabrennen, und hat damit offensichtlich gut verdient. Der Artikel spricht im Wesentlichen für sich, aber auch hier kannst du ein paar der Dinge herauslesen, die für das reich werden mit Sportwetten insbesondere in jenen Jahren charakteristisch sind:
- “Dann muß sich Charlie in letzter Sekunde blitzartig ein Urteil bilden und Heinz, seinem Helfer, der mit zwei verschieden präparierten Bündeln Wettscheinen am Schalter steht, per Handzeichen die Entscheidung signalisieren. Heinz steckt dann ein Bündel wieder in die Tasche, das andere gibt er ab.“ - Wie die Computer Group in jenen Tagen beschäftigt er Runner.
- “Wenn so etwas passiert, ist für ihn der Abend gelaufen, dann könnte er eigentlich nach Hause gehen. Aber er bleibt, denn er wettet grundsätzlich jedes Rennen, im Jahr sind es rund sechstausend“ - Logischerweise, denn der Gewinn stellt sich über den Erwartungswert ein.
- “Da muß man durch, meint Charlie, er ist sogar davon überzeugt, daß nur der ein guter Profi werden kann, der ein paar Mal am Boden lag.“ - Weise Worte, denn wirklich am Nullpunkt anzukommen, ist das erste und einzige, was einen meiner Erfahrung nach wirklich daran hindert, zu viel pro Wette zu setzen. Ich habe persönlich noch keinen (inklusive mir selber) kennengelernt, der es nicht erst auf die harte Tour begreifen lernen musste.
- “Die Papierform interessiert Charlie nicht, daran verschwendet er keine Sekunde Zeit.“ - Ein altes Lied, erfolgreich Wetten bedeutet nicht selten, entgegen der jüngsten Trends zu setzen.
Ich konnte leider nicht in Erfahrung bringen, was aus Charlie Höhler letztlich wurde, und ob es noch immer möglich ist, mit Wetten auf Trabrennen reich zu werden. Aber in jedem Fall ist es eine faszinierende Geschichte.
Im zweiten und letzten Teil dieses Themas gehe ich auf ein paar praktische Aspekte des Reichwerdens mit Sportwetten ein, insbesondere realistische Szenarien für den Kapitalaufbau, die etwas weniger waghalsig sind als der Weg, den Herr Voulgaris gewählt hat.
Fußnoten:
[1] Gerüchteweise habe ich von folgender Anekdote gehört: Als Benham eines Samstags gerade in Midtjylland war, um den Kaufpreis auszuhandeln, soll er sich ein wenig zum Organisieren seiner Wetten zurück gezogen haben – und meinte dann, wenn diese eine hier durch ginge, hätten sie einen Deal. Der Rest ist Geschichte.
[2] Premier Bet wurde für eine Millionen Pfund verkauft und existiert heute nicht mehr. Tony Bloom besitzt derzeit einen anderen Buchmacher namens ISN, der hauptsächlich im asiatischen Markt aktiv ist. Wer über einen Wettbroker Mollybet benutzt, bekommt ISN typischerweise als eine der Wettoptionen.
[3] Noch bis circa 2008 waren Fußballmärkte noch mit ziemlich simplen Modellen schlagbar, doch nach und nach hat sich das geändert. Buchmacher wie Profis haben viel dazu gelernt. Den Markt zu schlagen ist aber nach wie vor möglich, und wird es vermutlich auch immer sein – wie auch der Umstand zeigt, dass der Profisport in Sachen Datenanalyse noch sehr in den Kinderschuhen steckt.