Verlierer versuchen den Gewinner zu erraten
Grafisch kann man sich dieses Denkmuster in etwa so vorstellen:
Auf psychologischer Ebene hilft es dabei nicht, dass Ereignisse im Nachhinein immer als sehr zwangsläufig erscheinen. Uns fällt es schwer, blanken Zufall als solchen zu akzeptieren, und erfinden gerne kausale Geschichten, ihn zu erklären. Deshalb suchen (und finden) Menschen Gründe für ihre Krebserkrankung, oder erklären die jüngste Niederlage ihrer Lieblingsmannschaft damit, dass es am Selbstvertrauen gefehlt hat (oder wahlweise zu viel davon vorhanden war).
Allerdings verliert beim Wetten auf Dauer jeder Geld, der so denkt. Doch warum ist das so?
Gewinner tippen auf zu hohe Quoten
Um beim Wetten zu den systematischen Gewinnern zu gehören, musst du anerkennen, dass jedes Ereignis eintreten kann – mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit. Welche es konkret wird, kann niemand kontrollieren – wohl aber kannst du kontrollieren, welche Wettquoten du für einen gegebenen Wettausgang akzeptierst oder nicht. Und noch wichtiger: Du kannst an der Wettquote des Buchmachers erkennen, welche Wahrscheinlichkeit er diesem Ereignis beimisst.
Dein Job als Wetter besteht darin einzuschätzen, ob der Wettanbieter mit seiner als Wettquote ausgedrückten Wahrscheinlichkeit falsch liegt1.
80% ≠ 100%
Das Kernproblem liegt im Beantworten der falschen Frage – ein psychologisches Problem, auf das ich in einem gesonderten Blogpost noch im Detail eingehen werde.
Wie beim Wetten die falsche Frage beantwortet wird
- Liegt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Bayern das Spiel gewinnt, über 87.7%?
- Welche Mannschaft gewinnt wahrscheinlicher das Spiel?
Warum sich erfolgreiches Wetten paradox anfühlt
Beispielsweise hatte ich für UFC 193 eine Wette auf Holly Holm gegen Ronda Rousey zu einer Wettquote von 12.00 abgeschlossen. Vor dem Kampf galt Ronda Rousey als haushoher Favorit. Persönlich war ich zwar auch davon überzeugt, dass ein Sieg Rouseys sehr wahrscheinlich war, räumte aber Holly Holm konservativ geschätzt eine 20% Siegchance ein. Entsprechend war für mich jede Quote oberhalb von 5.00 für Holly Holm eine Wette wert2.
Es ist nicht nur schwer, Laien diese Logik zu vermitteln – auch mit meiner eigenen Intuition habe ich in solchen Fällen regelmäßig zu kämpfen. Das Problem besteht darin, dass wir unterbewusst dazu neigen, einfach die schiere Häufigkeit von Gewinnen und Verlusten zu zählen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass der Gewinn einer 12.00-Quote elf verlorene Wetten aufwiegt. Rational ergibt das zwar Sinn, emotional macht uns das dennoch zu schaffen3.
Auch in der Finanzwelt werden die falschen Fragen beantwortet
Das Publikum war verwirrt, weil kurz davor noch verkündet hatte, auf sinkende Werte zu wetten. Doch natürlich geht es nicht allein darum, in welche Richtung sich der Markt bewegt – sondern vor allem darum, wie heftig er dies tut. Entsprechend kann es auch hier durchaus sinnvoll sein, auf das weniger wahrscheinliche Ereignis zu wetten.
Fußnoten:
1 Streng genommen ist der Markt, der hier falsch liegt – Buchmacher wissen nicht selten ganz gut, dass sie in bestimmten Fällen suboptimale Preise anbieten (wahrscheinlichkeitstheoretisch betrachtet), können und wollen sich aber nicht mit aller Macht gegen die Marktmeinung stemmen. Das ist letztlich eine Frage des Risikomanagements.
2 Holly gewann den Kampf, allerdings ist das nicht weiter wichtig – es geht darum, dass die Wette angesichts der vor dem Kampf bekannten Fakten erkennbar Value bot. Eine Niederlage hätte daran nichts geändert.
3 Es hilft dabei nicht, dass die Varianz deiner Ergebnisse umso stärker ansteigt, je weiter deine Wettquoten von 2.00 entfernt sind.