Wie im Wettseminar versprochen, bespreche ich nach und nach die behandelten Themen hier im Blog und entwickle sie weiter – gewissermaßen als Skript.
Wie im Wettseminar versprochen, bespreche ich nach und nach die behandelten Themen hier im Blog und entwickle sie weiter – gewissermaßen als Skript.
Wozu ein Wettmodell?
Das Kernproblem beim Wetten besteht darin, Value zu finden. Zu Beginn ihrer Wettkarriere versuchen es die meisten Anfänger hier mit ihrer Intuition, was aber aus psychologischen Gründen nahezu aussichtlos ist, da wir intuitiv schlecht bis gar nicht in Wahrscheinlichkeiten denken können.
Zudem ist unser Bauchgefühl auch deshalb ein schlechter Ratgeber, weil wir alle Opfer einer Reihe von Wahrnehmungsfehlern sind. Genau wie bei optischen Täuschungen sehen wir die Welt weitaus weniger konsistent und rational, als wir gerne glauben – das vielleicht bekannteste Wettbeispiel ist die mangelhafte mentale Buchführung über Gewinne und Verluste, von denen wir schnell ein falsches Bild bekommen[1], wenn wir nicht gewissenhaft Buch führen.
Die Aussage im Großen und Ganzen liege ich mit meinen Wetten im Plus ist das vielleicht größte Warnsignal für psychologischen Selbstbetrug beim Wetten und deutet auf einen defizitären Glücksritter hin.
Hier kommen Wettmodelle ins Spiel: Sie helfen dir, auf der Grundlage von Daten konsistente Entscheidungen zu treffen und psychologische Täuschungsfallen zu vermeiden.
Die Zielsetzung deines Wettmodells
Ein Wettmodell dient dazu, „faire“ Wettquoten für ein bestimmtes Ereignis zu berechnen – Quoten also, für die du auf der Grundlage deines Modells langfristig weder Gewinne noch Verluste erwartest. Liegt der Markt mit seinen Quoten für einen der möglichen Ausgänge signifikant[2] über deinen Schätzungen, platzierst du eine Wette[3].
Ein Wettmodell liefert dir idealerweise eins oder mehrere der folgenden Dinge:
- Wahrscheinlichkeiten (in %) für die verschiedenen Spielausgänge, also beispielsweise Heimsieg, Unentschieden und Auswärtssieg
- ein Handicap (beispielsweise -0.35 Tore aus Sicht des Heimteams), das für dich die 50%-Linie und durchschnittliche Tor- bzw Punktüberlegenheit des betreffenden Teams anzeigt
- eine Over/Under-Linie, die für dich auf der 50%-Schwelle dafür liegt, ob in dem Spiel mehr oder weniger Tore fallen
Auf der Grundlage dieser Berechnungen ist es dir dann möglich, Wettentscheidungen zu fällen. Wahrscheinlichkeiten lassen sich mit der 1/x-Formel leicht in Wettquoten umrechnen, während du bei Handicap- und Over/Under-Linien auf einen Blick siehst, auf welcher Seite des Marktes du dich mit deiner Schätzung befindest.
Die Struktur deines Wettmodells
Die Struktur eines Wettmodells ist letztlich immer die selbe. Aus deinen Daten bildest du Variablen, die den Input deines Modells darstellen. Mit verschiedenen mehr oder weniger komplexen Formeln berechnest du damit einen Output, der aus den Wahrscheinlichkeiten oder Handicaplinien besteht.
Die einzelnen Schritte beim Erstellen eines Wettmodells
- Du sammelst möglichst viele Daten
- Du filterst die Variablen heraus, die sich besonders zur Modellbildung eignen
- Du gewichtest deine Variablen und bildest einen geeignete Berechnungsformel
- Du überprüfst die Qualität deiner Modellberechnungen mit verschiedenen Tests
- Du nimmst Anpassungen für systematische Verzerrungen vor, insbesondere die Spielplanstärke[4]
- Je nach Bedarf setzt du jetzt wieder bei Schritt 1 oder 2 an, um dein Modell weiter zu verfeinern
Generell sind Modelle nie fertig, sondern können immer weiter verbessert werden. Allerdings steht in aller Regel ab einem bestimmten Punkt der zusätzliche Nutzen nicht mehr im Verhältnis zum Aufwand.
Modelle sind nie perfekt, sondern nur ein Ausschnitt
Modelle aller Art sind niemals eine perfekt Abbildung der Realität, da diese viel zu komplex ist. Ein Modell ist ähnlich einer Landkarte der Versuch, die überkomplexe Realität auf ihre wesentlichen Aspekte zu reduzieren, um dir als Orientierungshilfe zu dienen. Entsprechend wird es immer Modellfehler geben.
Modellfehler: extern und intern
Es gibt zwei Typen von unterschiedlichen Modellfehlern: Externe Modellfehler und interne Modellfehler.
Bei externen Modellfehlern handelt es sich um Variablen, die du nicht berücksichtigt hast. Da du schon aus zeitlichen Gründen nicht alle Variablen berücksichtigen kannst, kannst du externe Modellfehler generell nicht vermeiden – die Frage ist nur, wie gravierend sie sind. Lässt du zu viele einflussreiche Variablen weg, wird dein Modell möglicherweise wertlos.
Bei internen Modellfehlern berücksichtigst du die falschen Variablen oder gewichtest ihren relativen Einfluss im falschen Maß. Interne Modellfehler sind besonders fatal, gleichzeitig aber auch vermeidbarer als externe.
Wo stehst du im Markt?
Wenn du ein Wettmodell baust, solltest du ferner deine relative Position im Markt einschätzen – das hängt eng damit zusammen, den richtigen Zeitpunkt zum Wetten auszuwählen. Je früher du dran bist und je weniger Volumen der Markt umfasst (was du direkt an den verfügbaren Limits bei Pinnacle oder SBO ablesen kannst), desto ineffizienter sind die Wettquoten in aller Regel.
In diesen Marktphasen benötigst du nicht unbedingt ein sonderlich komplexes Modell, um Erfolg zu haben, weil professionelle Spieler in aller Regel noch auf höhere Limits warten, bevor sich das Wetten für sie lohnt.
Fußnoten:
[1] Typischerweise neigen wir zum Beispiel dazu, viel über gewonnene Wetten zu reden, und über verlorene Wetten eher zu schweigen. Das spiegelt sich auch in deiner mentalen Buchführung wider.
[2] Was signifikant genau bedeutet, ist letztlich ein wenig willkürlich und unscharf. Keine schlechte Faustregel ist das Einbauen einer Marge, wie das der Buchmacher ebenfalls tut, also zwei oder mehr Prozentpunkte. Ich gehe auf das Thema in den späteren Teilen dieser Serie noch einmal näher ein.
[3] In der Praxis kommen noch ein paar andere Erwägungen ins Spiel. Es ist wichtig, Modellen nicht völlig blind zu vertrauen, sondern auch weiche Faktoren zu berücksichtigen. Ein Beispiel für einen weichen Faktor ist die Motivation des Teams, wenn es am Ende der Saison um nichts mehr geht.
[4] Die Spielplanstärke drückt die durchschnittliche Spielstärke der Gegner des betreffenden Teams in der bisherigen Saison aus. Insbesondere in der ersten Saisonhälfte kann es hier zu deutlichen Verzerrungen und Unterschieden zwischen den einzelnen Mannschaften kommen. Deren Korrektur wird deine Modellschätzungen deutlich verbessern.